Die Landflucht der Kreativen

Der Verein möchte der Landflucht der Kreativen entgegenwirken. Dabei sprechen wir nicht nur von „Berufskreativen“, also Künstlern, Musikern, Architekten, Grafikern usw., denn Kreativität ist eine eigene Art des Denkens, eine Einstellung zum Leben und diese finden wir in allen Berufen und Schichten.

Viele junge Talente üben ihre Tätigkeiten im Ausland aus. Vielleicht liegt das daran, dass es in Südtirol an Strukturen, Plattformen, Freiräumen oder an Akzeptanz mangelt. Wir versuchen mit unserer Vereinstätigkeit ein Umfeld zu schaffen, das Kreativen mit Wertschätzung begegnet, ihnen Gehör verschafft und freies Schaffen, Rückhalt und Dialog ermöglicht. Wir finden, dass kreative Geister von unschätzbarem Wert sind.

4 Comments

  1. cxs

    Kreative brauchen ein kreatives Umfeld – doch vor allem kreativen Austausch. Die digitale Glitzerwelt möchte einem weismachen, daß in unserer Zeit der totalen Vernetzung jeder, immer und überall, eben auch im obersten Vischgau kreativ sein kann. Solange man Kreativität als Selbstzweck sieht – vielleicht.
    Will man davon leben wirds schon schwieriger.
    „Die Welt als globales Dorf“ ist auch in Zeiten des High Speed Internets nur Theorie und wird, ähnlich dem zur Jahrtausendwende vielbeschworenen „paperless office“ nie im realem Arbeitsumfeld greifen. Um als kreativer, motivierter, neugieriger, talentierter und vor allem engagierter Gestalter mehr zu erreichen als die WebSite des hiesigen Fliesenlegers zu gestalten, muss man raus. Und viele bleibens auch. Sicher soll/will/kann nicht jeder gleich das Rad neu erfinden doch der Anspruch gesellschaftlich Relevantes zu Entwickeln oder Gestalten ist eben die Hauptmotivation Kreativer Menschen. Künstler, auch Ärzte ziehen nach – oder bleiben gleich in Wien, München, Innsbruck – die Kreativen leben und arbeiten in Berlin, Mailand und London. Epizentren der jeweiligen Zunft? Erklärungen gibts viele, diese ist vermutlich die umfassenste:
    „When a place gets boring,
    even the rich people leave.“
    Jane Jacobs

    …hier noch eine Buchempfehlung:
    „Who’s your city | how the creative economy is making where to live the most important decision in life.“
    Autor Richard Florida (er hielt übrigens vor einiger Zeit einen Vortrag zum Thema in der EURAC Bozen, über Konverenzschaltung natürlich)

  2. lks

    Einige Gedanken basierend auf obigem Kommentar:

    Die Website des örtlichen Fliesenleger zu gestalten bringt Geld. Dieses Geld muss auch in einem Ballungszentrum erst verdient werden. Wie man sein Geld verdient ist eine Sache – sich kreativ austauschen zu wollen eine andere. Ich habe nicht den Eindruck, dass Kognitiv versucht, Arbeitsplätze für Gestalter zu schaffen, sondern mentalen Raum für Kreative HIER in Südtirol zu festigen.

    Unabhängig davon hat der kreative Prozess und dessen Rahmenbedingungen meiner Ansicht nach wenig damit zu tun, wie entstandene Arbeiten in bare Münze umgewandelt werden können. Sich in einem Ballungszentrum aufzuhalten heißt noch l a n g e nicht, dass man sich die nötigen Beziehungen schafft, um Geld mit seinen persönlichen Arbeiten bzw. Interessen zu verdienen. Natürlich ist dies nur eine Vermutung.

    Von seiner Kreativität zu leben ist überall schwierig, wie man sein Geld bis dahin verdient ist (im besten Fall) eine persönliche Entscheidung; Strukturen IN Südtirol zu schaffen aber umso wichtiger. Konkret Arbeitsplätze für Designer, Architekten oder Grafiker in Südtirol zu schaffen und einen Verein zu gründen, der der Landflucht von Kreativen entgegenwirkt, sind zwei ganz unterschiedliche Dinge und sollten weder verwechselt noch gleichgestellt werden, besonders da Kreative oft Freiberufler sind und eben nicht über Jahre lokal gebunden sind.

    Die Ruhe und oben angesprochene (subjektive) Langeweile, die Südtirol bietet sehe ich als gewaltigen Vorteil, um sein Denken und Schaffen reifen lassen zu können – ich vermisse beide. Seit 5 Jahren lebe in Berlin und habe das Glück, dort in einem Kollektiv meine und gemeinsame Interessen ausleben zu können. Dass diese Stadt im Allgemeinen mein Denken beeinflusst hat, ist Fakt, aber vielmehr noch haben mich meine dortigen Freunde auf neue Fährten gebracht, die wiederum meine langfristigen Berufswünsche und konkreten Einkommensquellen beeinflussen.

    Genauso kann und wird (meiner Ansicht nach) diese Initiative im oberen Vinschau Kreative in Ihrem Reifeprozess unterstützen, „denn Kreativität ist eine eigene Art des Denkens, eine Einstellung zum Leben“ und nicht der Ort, an dem man sich befindet oder die Art-und-Weise des Geldverdienens.

    Hier in Südtirol Rückhalt zu bieten ist sehr wichtig, ganz unabhängig, davon, ob man hier bei seinen Eltern lebt, seine Arbeit in einer Metropole zeigt oder nur einmal pro Jahr nach Südtirol kommt, um einen Workshop an der Design-Fakultät zu halten.

    „Kreative brauchen ein kreatives Umfeld – doch vor allem kreativen Austausch“, und dies offline. Da gebe ich cxs sehr recht. Genau dies geht Kognitiv ja an. Hinzu kommt, dass es völlig vom Charakter eines Künstlers abhängt, ob er oder sie eine Metropole oder den Südtiroler Wald als Hintergrundrauschen zum Arbeiten benötigt.

    Ich empfinde es als überaus wichtig, besonders jungen Kreativen, zu vermitteln, dass man eben nicht um die halbe Welt reisen muss, um an seinen Ideen zu arbeiten. Es muss sich nicht jeder tag-täglich in enge U-Bahnen zwängen, um sich selbst als verwirklicht zu bestätigen.

    Ab einem gewissen Niveau und abhängig von seiner Sparte und Vorlieben ist die dauerhafte physische Anwesenheit an seinem Arbeitsplatz beeinflussbar. Ich glaube, dass es enorm wichtig ist, hier in Südtirol Strukturen zu schaffen, die der Landflucht von Kreativen entgegenwirkt und als Folge auch Kreative wieder zurückholt.

    Eine soziale und vielleicht sogar physikalische Struktur zu schaffen, in der hier in Südtirol diskutiert, gearbeitet und evlt. ausgestellt werden kann halte ich für mehr als _föderungswert_. Ich persönlich glaube, dass die horrenden Mieten und Immobilienpreise in Südtriol stark zur Abwanderung der Kreativen beitragen; vielleicht sogar mehr als fehlende Arbeitsplätzen in gewissen Berufssparten.

    Deshalb lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und träume von einem Gebäude, einem Bauernhof oder einer Wohnung, egal, wo Kreative nicht nur Raum zum Arbeiten, Unterrichten und Austauschen haben, sondern auch (zumindest zeitweise) ein Dach über dem Kopf. Dies würde Zeit bedeuten, Zeit in der man nicht seine Miete verdienen muss und Raum, in dem lokale Künstler sich verwirklichen können. Der Sprung, Südtriol im Ausland durch ein Arist-in-Residence-Programm ins Gespräch zu bringen, wäre dann auch nicht mehr weit und es wäre wesentlich einfacher, Kreative Schritt für Schritt wieder nach Südtirol zu holen, um ihre Erfahrungen zu teilen.

  3. Alex

    Wie lks ganz richtig durchklingen lässt darf man, wenn man über die Daseinsberechtigung eines Vereins wie kognitiv spricht, an die Ebene physischer Strukturen noch nicht einmal denken (höchstens träumen, so wie lks). Einerseits, weil ein Verein als solcher weder die Mittel noch die Möglichkeiten zur Schaffung ebensolcher hat, andererseits weil das nicht der Intention von kognitiv entspricht. Physische Strukturen für kreative Prozesse sind Aufgaben von Politik, evtl. auch Privatwirtschaft – aber keinesfalls jene eines Vereins wie kognitiv.
    kognitiv muss und will weit vorher, weit tiefer (aber auch an einem weit wichtigeren Punkt!) ansetzen. lks nennt es soziale Strukturen. Ich würde behaupten, dass soziale Strukturen gar nicht das Aktionsfeld von kognitiv sind, sondern bestenfalls das Produkt das dabei herauskommt.
    Wie der Name schon verrät geht es kognitiv, meiner Meinung nach, ganz banal gesprochen um den Kopf. Es ist das Denken wo kognitiv ansetzen möchte. Es geht um den Einsatz von Kreativität. Diesen Einsatz, den möchte kognitiv antreiben und fördern. WAS man mit dieser Kreativität dann macht, das ist jedem ganz allein und selbst überlassen.
    Eine Möglichkeit Kreativität einzusetzen ist der Ausbruch aus Strukturen, aus vorgefertigten Denkmustern. Hier kann kognitiv ansetzen und Orientierung bieten. Mehr aber auch nicht – denn alles was mit Denken zu tun hat ist eine höchstpersönliche Sache die schlussendlich im Kopf eines jeden Einzelnen stattfindet.
    In urbanen Gebieten wird der Einsatz von Kreativität oft erleichtert, weil Kreativität hier durch Austausch angetrieben wird. In ländlichen Gebieten gibt es weniger (kulturellen) Fluss – wodurch Austausch und dadurch Kreativität erschwert wird. Das stellt ein Defizit dar, und aus diesem Defizit heraus ist kognitiv entstanden.

  4. Seit November arbeiten wir an der ersten Ausgabe eines Print-Magazins, das sich der hier angesprochenen Thematik widmet. Mehr Infos hier: http://kognitivverein.wordpress.com/2013/01/24/ein-magazin-vom-kommen-bleiben-gehen/

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